Stadt Köln plant großes Retentionsbecken für 200jähriges Hochwasser Bürger verunsichert!
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Köln-Worringen
Ein großer Retentionsraum/Polder (=Rückhalteraum) soll zwischen Worringen, Roggendorf/ Thenhoven, Blumenberg und Langel angelegt werden und im Fall eines Hochwassers knapp 30 Millionen Kubikmeter fassen. Im Süden, Westen und Norden werden Deiche und Schutzwände angelegt, die bei einem Kölner Pegelstand von 12 m dem drohenden Hochwasser standhalten. Der Polder soll wahrscheinlich erst ab 11,70 m kontrolliert geflutet und damit lt. Statistik „äußerst selten“ beansprucht werden.  Durch die Rückhaltefläche könnte der Wasserstand stromabwärts um fast 13 Zentimeter gesenkt werden.

Wie erst jetzt bekannt wurde, hat eine Wirksamkeitsanalyse des Landesumweltamts   ergeben, dass im Falle eines Katastrophenhochwassers die ursprünglich geplante „kleine Lösung“ eines Retentionsbeckens (auf Präsentationsfoto 2 als Variante 3 rot markiert ) vom Rheinufer bis zur B9 wohl doch keinen ausreichenden Schutz für Worringen und die rheinabwärts liegenden Städte ergeben würde. Daher wird diese  Lösung nicht mehr von der Stadt Köln angestrebt – stattdessen soll die „große Lösung“, die sogenannte Stufe 2 gebaut werden, die mit geschätzten 33 Millionen Euro vom Land übernommen werden würde.

Die „Stufe 2“ des Hochwasserschutzes (auf Präsentationsfoto 3 als Variante 4 markiert ) sollte eigentlich erst in etwa 20 Jahren gebaut werden. Aufgrund der von der Stadt Köln geplanten Vorziehung dieses großen Retentionsraums lud BV Hans Heinrich Lierenfeld die Bürger der Region zur einer Informationsveranstaltung mit Herrn DI Oelmann (Vorstand Steb*), Herrn Mahn (Stadtentwässerungsbetriebe*) sowie Frau Giesler und Herr Zentkraft vom beratenden Ingenieurbüro Björnsen ein. Im restlos gefüllten Vereinshaus folgte eine von Herrn Zentkraft vorgeführte Präsentation der Planungsgrundlagen. Mit einem Stauvolumen von etwa 30 Mio m³ Wasser soll der Raum vom Rheinufer, über die B9 bis zum gesamten Worringer Bruch im absoluten Katastrophenfall (Kölner Pegel 11,70 – 11,90 m)  „gesteuert geflutet werden“.

Auszüge der Präsentation zu den Planungsgrundlagen



Ungeklärte Fragen
Der Schutz der hiesigen Bevölkerung scheint durch die derzeit noch andauernde Sanierung des Altdeichs bis zu einem Kölner Pegalstand von etwa 12,00 m gegeben zu sein. Aufgrund dessen und vor allem wegen der nicht absehbaren Folgen für Mensch und Natur bei einer gesteuerten Flutung der gesamten Ackerflächen, der B9 und des Bruchs bis vor Roggendorf/Thenhoven, sind viele der Meinung, dass diese Stufe 2  nicht unbedingt erforderlich sei. Die vielen Fragen, u.a. der direkt betroffenen Bürger, wie z. B. Christoph Thomis von der Araltankstelle, die Familien Kluth und Hilden, die Raststätte (ehemals Minney) die im geplanten Retentionsbecken wohnen und die vieler anderer besorgter Bürger, konnten bei weitem nicht ausreichend beantwortet werden, sodass weiterhin eine große Verunsicherung in der Bevölkerung herrscht. Trotz der von den Stadtentwässerungswerken ausführlich vorgeführten Präsentation der Pläne, die zum Teil in mehreren Variationen dargestellt wurden und laut Herrn Oelmann „nur“ als Vorstudie dienen, hatten viele der Anwesenden das Gefühl, dass alles von Stadt und Land schon beschlossene Sache sei.

Offenheit
Fragen, wie z. B. welche Auswirkungen ein solch überdimensional großes Auffangbecken auf die Keller der Häuser hätten, konnten nicht beantwortet werden. Es gibt auch Meinungen, dass, selbst wenn das Grundwasser nicht steigen würde (die älteren Worringer schwören aber, es wäre so!), das Qualmwasser mit steigendem Druck auf den Schutzwall, sich an eben diesem „vorbeischleicht“ und auf die Häuser der Worringer zufließt, somit die Keller voll laufen lässt.

Wenn die Lösung in Form eines großen Retentionsbeckens trotzdem Zustimmung finden soll, müssen die verantwortlichen Planer die Bürger entsprechend sensibel und vor allem mit aller Offenheit behandeln, damit auch der Bürger im Hinblick auf alle möglichen Konsequenzen die für ihn und andere richtige Entscheidung treffen kann. So gibt es neben den betroffenen Parteien auch noch ein wunderschönes Naturschutzgebiet namens Worringer Bruch, der bis über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist. Schließlich wurde er an die Europäische Union wegen des größten Vorkommens an Kammmolchen und vielen anderen geschützten Tierarten gemeldet, unterliegt somit einem besonderen Schutz. Wenn dieses besondere Naturschutzgebiet zum Wohle der Menschen „geopfert“ werden soll (Naturschutzbund und Försterei verweisen auf die nicht bekannten Folgen hin!), muss der Nutzen für die Bürger garantiert sein, darf es letztlich nicht das Gegenteil bewirken.

Keine Pumpen für Worringen?
Da das Gelände vom Rheinufer bis zum Bruch leicht abfällt, kann das aufgestaute Wasser, nach Meinung vieler nicht ohne spezielle Pumpen wieder abgepumpt werden. Die von den Stadtentwässerungsbetrieben (Steb) statt der Pumpen vorgeschlagene Lösung den Pletschbach als Rückführweg zu benutzen, scheint aber nicht ohne weiteres durchführbar, da auch dieser ungewöhnlich tiefer und breiter ausgegraben werden müsste. Wie lange verbliebe dann das Wasser in dem Becken, Wochen, Monate? Warum aber werden in Rodenkirchen solche Pumpenwerke mit eingeplant und in Worringen nicht?

Weitere Fragen
Die B9, direkter Verbindungsweg nach Fühlingen wäre im Fall einer Flutung unpassierbar. Welche Fluchtmöglichkeit hätten die Worringer, wenn zeitgleich Störungen der hiesigen Chemieindustrie auftreten würden? Wer sitzt am „Hebel“, wer entscheidet letztlich, dass tatsächlich nur bei einem gewissen Hochwasserstand des Kölner Pegels (11,70 – 11,90 m) Ackerflächen und Bruch geflutet werden sollen? Gilt diese Flutungsmarke auch noch in zukünftigen Jahren oder wird dann dem Druck der Kölner nachgegeben und früher geflutet? Werden Aussiedlungen oder Entschädigungen in Betracht gezogen? Was geschieht mit den hiesigen Landwirten, deren Existenz massiv bedroht ist, wenn ein Abpumpen nicht geplant ist und deren Äcker für das ganze Jahr nicht mehr bearbeitet werden können? Wer würde die entstehenden Kosten für voll gelaufene Keller übernehmen, vor allem bei den Häusern, die trotz bisherigem Hochwasser bisher keine Wasserschäden hatten? Eine Elementarversicherung kommt so weit wir informiert sind, nur für Kosten auf, die bei einer „natürlichen“ Überflutung eines Deichs entstehen – außerdem belaufen sich die Kosten einer solchen Versicherung auf ca. 1300,00 Euro/Jahr und mehr.

Das geplante Retentionsbecken ist laut Herrn Oelmann für ein Hochwasser geplant, das, rein statistisch gesehen, alle 200 Jahre vorkommt. Doch Zahlen bieten keine Garantie – das hat uns die jüngste Vergangenheit eindrucksvoll gezeigt.  Mitteleuropa blieb und bleibt von katastrophalen Hochwassern nicht verschont, dies belegen die Rheinhochwasser von 1993 und 1995, die Oderflut von 1997, die Überschwemmungen in Großbritannien, Italien und der Schweiz im Herbst und Winter 2000/2001 sowie die jüngsten Ereignisse an der Elbe im Sommer 2002 und in Köln Anfang 2003. In den Jahren 1926 und 1995 wurde der statistische Hochwasserstand mit 10,69 m in Köln belegt – wird das nächste Jahrhunderthochwasser schon morgen kommen und dann auch öfters? Wird dann entsprechend auch öfters „gesteuert überflutet“ werden müssen?

Altlasten
An diesem Abend wurde neben vielen weiteren eine der wohl wichtigsten Fragen nicht gestellt. Was passiert mit den Altlasten (Chemie und Hausmüll), die seit Jahrzehnten im Worringer Bruch und den angrenzenden Dörfern in Kiesgruben u. ä. unter Tage lagern? Bei einer Überflutung würden diese sicherlich eine weitere unberechenbare Gefahr darstellen. Fragen über Fragen, die bis dato auf eine Antwort warten. Sicher hätten viele Fragen auch nicht gestellt werden müssen, denn es gab bereits im Vorfeld eine Aufklärung zur aktuellen Situation, als im Herbst letzten Jahres Karl-Johann Rellecke (ehemaliges Ratsmitglied) eine Stellungnahme in den „Worringer Nachrichten“ abdrucken ließ. Diese ist auch jetzt noch über die Internetseite des Bürgervereins unter
www.bv-worringen.de  nachzulesen.

Wenn die Bevölkerung im Vorfeld der  „Überlegungen“ der Stadt zum Bau eines großen Auffangbeckens nicht umfangreich über Vor- und H OelmannNachteile für alle informiert wird, kann es schnell zu einer Bürgerinitiative kommen, die den Bau verhindern könnte (in der Stadt Kleve gibt es bereits eine Bürgerinitiative gegen Polder). Den guten Willen, ein Retentionsbecken bauen zu lassen, haben die Worringer bereits hinreichend gezeigt, in dem sie dem 1. Plan bis zur B9 zustimmten. Warum dieser auf einmal nichts mehr wert sein soll, ist wohl keinem, trotz Studie, vollends klar.

Die Stadtentwässerungsbetriebe, hier Herr DI Oelmann, sind offensichtlich um Aufklärung bemüht und sagten unserer Redaktion die schnelle Zusendung der Planungsunterlagen zu, die aber bis dato leider noch nicht eingetroffen sind. Sobald uns diese vorliegen, werden sie zur Information aller betroffenen Bürger bei WorringenPur veröffentlicht. Des Weiteren liegen uns auf unsere Anfrage hin, Statements vor, die wir an dieser Stelle in einer Art „Forum“ nach und nach veröffentlichen werden.

Schreiben auch Sie uns Ihre Meinung zum Bau des Auffangbeckens an Redaktion@WorringenPur.de

WorringenPur.de/14.03.2005
Der Inhalt dieses Artikels spiegelt lediglich die Meinung befragter Betroffener wieder und nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion.
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