„Freie Vogtländer Deutschlands“ auf Wanderschaft
Ehrbare Handwerker-Gesellen gastieren in Worringen

Köln-Worringen/Krebelshof
Ein seltenes Bild bietet sich uns in Worringen und Roggendorf/Thenhoven dieses Wochenende. Männer aus Österreich, Deutschland und der Schweiz, mit zumeist schwarz-weißer Kleidung, großen Schlapphüten, Melonen oder Zylindern, in schwarzer mit Perlmuttknöpfen bestückten Westen oder Jackets, in großen Schlaghosen und mit weißem Hemd durchstreifen die Straßen, um das Nötigste einkaufen zu gehen. Sie gehören zu einer Vereinigung von Handwerkern, die sich „Freie Vogtländer Deutschlands“ nennen und derzeit im Krebelshof gastieren. Hier fertigen sie u. a. hochwertige Überdachungen für Bänke im Biergarten an
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Wenn Sie, liebe Leser, in diesen Tagen “Vogtländern” begegnen sollten, können Sie dies mit einer gewissen Freude tun. Denn in traditionell eigentümlicher Kleidung verkörpern sie das, was den Menschen auszeichnen sollte – Ehre, Ehrlichkeit, Fleiß und Moral. Sie gehören einer ehrbaren VereinigunVogtländerg (Schacht) an, die überwiegend aus Bauhandwerkern wie z. B. Steinmetze, Betonbauer, Maurer, Dachdecker, Zimmermänner, Tischler etc. besteht und die seit hunderten von Jahren eine lange Tradition pflegen.

Die „Freien Vogtländer Deutschlands“ sind Gesellen, die nach dem Erhalt ihres Gesellenbriefes, der im Übrigen einen Notendurchschnitt von 1,5 haben muss, die Erlaubnis erhalten, drei Jahre lang Deutschland zu durchwandern, um in Gruppen ihrem Handwerk nachzugehen. In dieser Zeit haben sie keinen festen Wohnsitz und die Regeln sind zudem sehr streng. Vogtländer dürfen sich während ihrer Wanderschaft im Umkreis von 50 km ihrem Heimatort nicht nähern, müssen ledig, Kinder- und Schuldenfrei sein und zudem keinerlei weitere Verpflichtungen haben. Wie schon zu Kaiserzeiten nicht möglich, dürfen sie kein Telefon/Handy, Kreditkarte, öffentliche Verkehrsmittel/Pkw oder ähnliche neuzeitliche Erleichterungen benutzen. Auch deswegen sind sie maßgeblich auf die Unterstützung der Ortschaft und deren Bewohner angewiesen, denen sie begegnen, denn sie sind im Prinzip obdachlos, leben manchmal tatsächlich auf der Straße und das auch im Winter. Von allen handwerklich ausgebildeten Gesellen, die auf Wanderschaft gehen dürfen, ist nur 1 % drei Jahre auf Wanderschaft, was nicht verwundert bei diesen Bedingungen.
Und doch – sie tun es aus Überzeugung. Hauke Kob aus Neumünster Schleswig-Holstein z. B.. Auch er gehört zu den wandernden freien Vogtländern. Warum er sich so einer Tortur aussetzt, frage ich ihn, während er mir gegenüber sitzt. „Das ist doch keine Tortur“, antwortet er. „Nach meiner Gesellenprüfung hat für mich der Drang nach Freiheit und die Möglichkeit sich menschlich und beruflich weiterzubilden eine äußerst wichtige Rolle gespielt. In unserem „Schacht“ habe ich die Möglichkeit dies und noch mehr zu erleben. Dabei ist es schön zu erfahren, wie hilfsbereit Menschen sein können. Neben Kost und Logis haben wir auch schon mal eine Waschmaschine geschenkt bekommen. Oft tritt man

Vogtländer
links: Hauke Kob und seine Kameraden, die „Freien Vogtländer Deutschlands“ zu Gast im Krebelshof

uns aber auch mit sehr viel Skepsis entgegen, weil uns der Ruf von Gauern und Vagabunden leider noch heute hinterherläuft. Dabei stehen gerade wir für menschliche Werte ein, die man heutzutage immer weniger findet.“ „Da kann ich nur beipflichten“, so Eddy Telke, Geschäftsführer des Krebelshofs. „Jeder weiß, wie schwer es ist, vom Krebelshof den Türschlüssel zu bekommen, aber nach dem letzten Besuch der Vogtländer vor zwei Jahren, hat die Gruppe mein volles Vertrauen und Hauke somit auch jetzt sofort den Schlüssel bekommen.“

Misstrauen ist zwar völlig unbegründet, war jedoch früher schon ein Problem für die Vogtländer. So entstand zur Gründerzeit auch eine ganz besondere Sprache, um sich vor Außenstehenden zu schützen, die die ehrbaren wandernden Gesellen schon mal mit Gaunern verwechselten und diese gerne im Gefängnis sehen wollten. Die „Rothwelsch-Sprache“, eine Art Geheimsprache schützte sie so vor ungewollten Mithörem und Missverständnissen, wenn man sich auf der Straße untereinander unterhielt. „Büddele“ heißt zum Beispiel arbeiten, mehr aber wollte Hauke im Gespräch mit uns nicht verraten – aber das verstehen wir jetzt sehr gut.

Untereinander unterscheiden sich die einzelnen Vereinigungen durch das Zeichen ihrer „Ehrbarkeit“, das z. B. ein roter Schlips sein kann oder wie bei den Vogtländern die „Goldene Handwerksnadel“, ein kleines metallisches Erkennungszeichen, das die Symbole der Handwerkerberufe mit den Buchstaben FVD beinhaltet und sichtbar am oberen Hemd getragen wird. Dieses Erkennungszeichen, sollte mit dazu beitragen, dass man Gauner von ehrlichen Handwerkern unterscheiden konnte – damals wie heute. Auch Hauke trägt seine „Ehrbarkeit“ gut sichtbar am strahlend weißen Hemd. Aber wir finden, die Ehr(barkeit) trägt er nicht nur am Hemd, sondern, wie auch seine Kameraden, im Herzen …


WorringenPur.de/05.09.2009
Bericht und Fotos: Heike Matschkowski